Gretchen Rubins Vier Tendenzen - Alles eine Frage der Erwartungshaltung

Ein Abend mit Gretchen Rubin

Als wir vor ein paar Wochen in San Diego waren, hatte ich das Glück, eine Lesung von Gretchen Rubin zu ihrem neuen Buch “The four tendencies” ¹ zu besuchen. Gretchen Rubin ist eine New Yorker Schriftstellerin, die sich seit ein paar Jahren auf sehr kluge und keineswegs triviale Weise mit dem Glück im Alltag beschäftigt. Ihre Gedanken und Erkenntnisse dazu kann man in ihren Bestsellern "The happiness project" und "Better than before" und auf ihrem Blog lesen. Außerdem macht sie zusammen mit ihrer Schwester Elizabeth Craft den sehr erfolgreichen und absolut empfehlenswerten “Happier”-Podcast²

Ihr Buch “The four tendencies” und vor allem das Persönlichkeitsmodell, das sie darin vorstellt, haben mich so fasziniert, dass ich es unbedingt hier auf dem Blog vorstellen muss.

 

Die Vier Tendenzen auf einen Blick:

  • 4 unterschiedliche Tendenzen im Umgang mit Erwartungen

  • 2 Arten von Erwartungen: innere (eigene) Erwartungen, äußere Erwartungen, die von anderen Personen und der Gesellschaft kommen

  • Upholder- der/die Disziplinierte: hat keine Probleme, innere und äußere Erwartungen zu erfüllen

  • Questioner - der/die Hinterfragende: erfüllt nur eigene Erwartungen und solche, die er/sie sich zu eigen gemacht hat

  • Obliger - der/die Pflichtbewusste: erfüllt äußere Erwartungen, kämpft aber mit inneren Erwartungen

  • Rebel - der Rebell/die Rebellin: widersetzt sich inneren und äußeren Erwartungen

  • Jeder Mensch hat eine Haupttendenz und höchstens eine Nebentendenz

 

Die Vier Tendenzen

Warum schaffe ich es nicht, früh aufzustehen? Warum schaffe ich es nicht, meine Bachelorarbeit fertig zu schreiben? Warum hinterfragt mein Mann alles, was ich ihn bitte zu tun? Warum perlen alle Bitten und Ratschläge an meinem Sohn ab wie an Teflon? Warum bin ich die einzige Person im Büro, die die Spülmaschine ausräumt? Fragen wie diese plagen uns im Alltag immer wieder und egal wie unterschiedlich sie erscheinen, sie haben alle etwas mit Erwartungen zu tun: Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, Erwartungen, die wir an andere stellen und Erwartungen, die andere an uns stellen. Egal wie groß oder klein diese Fragen sind, eine Antwort auf sie zu finden, würde unser Leben viel einfacher machen. Was für ein Glück, dass Gretchen Rubin in ihrem Buch “The four tendencies”, in dem sie ihr neues Persönlichkeitsmodell vorstellt, eine Antwort auf all diese Fragen gibt. In ihrem Persönlichkeitsmodell identifiziert sie vier Tendenzen, in die wir alle fallen, je nachdem wie wir mit Erwartungen umgehen: Upholder, Obliger, Questioner und Rebels.

Vor ein paar Wochen habe ich einem Freund stolz erzählt, dass ich an einer Sport Challenge teilnehme, bei der man jeden Tag in einer Kleingruppe posten soll, wenn man seine Übungen gemacht hat. Die Rückmeldung in der Kleingruppe sollte sozialen Druck aufbauen und motivieren. Ich war begeistert von diesem Ansatz, weil ich genau wusste, dass ich die Challenge durchziehen würde. Mein Freund dagegen konnte überhaupt nichts damit anfangen: “Ich verstehe nicht, weshalb man die Gruppe braucht! Wenn ich mich entschließe, Sport zu machen, dann mache ich das, egal ob jemand mitmacht oder nicht.” Damals hat es mich sehr überrascht, dass jemand nicht von diesem Programm überzeugt sein konnte. Es war doch klar, dass das funktionierte! Seit ich Gretchen Rubins Vier Tendenzen kenne, weiß ich: mein Freund ist ein Questioner und ich bin ein Obliger, deshalb ist sozialer Druck für mich genau das richtige, während ihn das völlig kalt lässt.

Von inneren und äußeren Erwartungen

Der Begriff Erwartungen ist in Gretchen Rubins Modell recht weit gefasst, unter Erwartungen versteht sie auch Regeln, Vorsätze, Vereinbarungen, Absprachen, Verpflichtungen und Versprechen. Das können ganz kleine Erwartungen sein, wie die Erwartung, dass man seine  Tasse nach dem Benutzen in die Spülmaschine stellt, oder große Erwartungen, wie die Erwartung von Eltern, dass ihr Kind das Beste aus seinem Leben macht. Rubin unterscheidet dabei zwischen inneren und äußeren Erwartungen: innere Erwartungen, sind die Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, und äußere Erwartungen, sind Erwartungen, die andere an uns stellen. Regeln, Vorschriften und allgemeine Pflichten, wie die Steuererklärung, sind beispielsweise äußere Erwartungen, die unser Umfeld und die Gesellschaft an uns stellen. Je nachdem, wie eine Person mit inneren und äußeren Erwartungen umgeht, folgt sie einer der vier Tendenzen: Upholder, Questioner, Obliger und Rebels.

  • Upholder: haben keine Probleme, sowohl ihre Erwartungen an sich selbst als auch die anderer Leute zu erfüllen.

  • Questioner: erfüllen nur ihre eigenen Erwartungen oder solche, die sie sich zu eigen gemacht haben, weil sie ihnen sinnvoll erscheinen.

  • Obliger: erfüllen äußere Erwartungen, kämpfen aber mit ihren eigenen Erwartungen.

  • Rebels: haben eine Art Erwartungsphobie und widersetzen sich den Erwartungen anderer aber auch ihren eigenen Erwartungen.

Laut Gretchen Rubins Umfragen bilden Obliger mit 41% die größte Gruppe in der (amerikanischen) Bevölkerung und Questioner mit 24% die zweitgrößte, danach folgen Upholder mit 19% und schließlich Rebels mit 17%. ³ Alles noch etwas abstrakt? Keine Sorge, ich werde die einzelnen Tendenzen gleich konkreter beschreiben.

Upholder - der/die Disziplinierte - Disziplin gibt mir Freiheit

Upholder haben wohl das beste Verhältnis zu Erwartungen, denn ihnen gelingt es, innere und äußere Erwartungen zu erfüllen, weil sie sie beide gleich wichtig nehmen. Sie haben keine Probleme damit, zu ihrem Wort zu stehen und sind zuverlässig. Da sie aber auch Erwartungen, die sie an sich selbst stellen, problemlos erfüllen, sind sie sehr selbständig und verfügen über eine hohe Eigenmotivation. Sie lieben Regeln, Routinen und Zeitpläne und bringen zu Ende, was sie anfangen.

Das Upholder-Dasein hat  allerdings auch seine Nachteile. Upholder neigen dazu, Regeln zu ernst zu nehmen, und sind manchmal regelrecht besessen von ihnen und befolgen sie auch, wenn sie nicht sinnvoll sind. Weil sie so viel Wert auf Regeln und Zuverlässigkeit legen, haben sie nur wenig Verständnis dafür, wenn Abmachungen nicht eingehalten werden. Nach außen wirken sie deshalb oft kühl, streng und unflexibel.

Questioner - der/die Hinterfragende - Ich erfülle eine Erwartung, wenn das Warum mich überzeugt

Im Gegensatz zu Upholdern erfüllen Questioner nur ihre eigenen, inneren Erwartungen. Diese inneren Erwartungen beinhalten aber auch Erwartungen, die von außen kamen und die sie sich zu eigen gemacht haben. Questioner legen großen Wert auf Information, Logik und Effizienz:  Sie wollen sich selbst ein Bild machen und selbst entscheiden, um dann aus Überzeugung zu handeln. Die Frage nach dem Warum muss immer beantwortet sein. Hat ein Questioner sich ein Urteil gebildet und ist von einem Vorhaben überzeugt, zieht er es auch durch. Weil sie alles hinterfragen, regen Questioner auch andere in ihrem Umfeld zum kritischen Denken an.

Allerdings hat auch die Questioner-Tendenz ihre Schwächen. Für ihre Mitmenschen kann die ständige Fragerei anstrengend sein und den Anschein haben, dass nur aus Trotz, Misstrauen oder Streitlust gefragt wird. Auf Autoritätspersonen und Vorgesetzte kann die Fragerei respektlos und aufmüpfig wirken. Besonders Schule und Arbeitsalltag können schwierig für Questioner sein, weil sie vielen unerklärten, beliebig wirkenden Regeln folgen und Aufgaben machen müssen, von denen sie nicht überzeugt sind.

Obliger - der/die Pflichtbewusste - Du kannst auf mich zählen, und ich baue darauf, dass du auf mich zählst

Obliger erfüllen problemlos äußere Erwartungen, kämpfen aber mit ihren eigenen, inneren Erwartungen. Sie halten Zusagen und Versprechen ein, sind zuverlässig und immer für andere da. Obliger bilden das Rückgrat der Gesellschaft. Sie sehen sich der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet und sind die Tendenz, die sich am ehesten engagiert. Sie sind gute Vorgesetzte, Freunde, Familienmitglieder und Kollegen und kommen gut mit den anderen Tendenzen aus.

Das größte Problem, das Obliger haben, ist aber, dass sie es ohne äußere Verpflichtung  nicht schaffen, ihre eigenen Erwartungen zu erfüllen. Von sich aus schaffen sie es nicht,  Dinge zu tun, die nur für sie selbst sind, wie zum Beispiel an ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu arbeiten, Sport zu machen, sich zu entspannen oder sonst etwas für ihre Gesundheit zu tun. Sie haben Zeit für andere, aber nicht für sich selbst, und sind schnell darin, Versprechen gegenüber sich selbst zu brechen, weil sie die Bedürfnisse anderer über ihre eigenen stellen. Obliger können nicht auf ihre Eigenmotivation zählen, sie brauchen Hilfe von Außen, d.h. jemand oder etwas demgegenüber sie sich verpflichtet fühlen.

Rebel - der Rebell/die Rebellin - Es ist so schwer, wenn ich soll, aber so leicht, wenn ich will

Rebels widersetzen sich inneren und äußeren Erwartungen gleichermaßen. Sie wollen machen, was sie wollen, auf ihre Weise und in ihrem Tempo. Sie legen großen Wert auf Freiheit und widersetzen sich jeder Art von Kontrolle, auch der Selbstkontrolle. Rebels ist Authentizität und Selbstbestimmung sehr wichtig. Sie lassen sich nicht von Regeln und Konventionen eingrenzen und zeigen damit auch anderen, dass sie freier sind und öfter die Wahl haben, als sie glauben. Wenn sie sich einer Sache verschrieben haben, sind sie nicht zu stoppen und tragen so zu Fortschritt und Veränderung bei. Laut Gretchen Rubins Umfragen sind Rebels die seltenste Tendenz, vielleicht liegt das aber auch daran, dass sie keine Lust hatten, an der Umfrage teilzunehmen.

Das Rebellentum bringt allerdings auch Probleme mit sich: Rebels ist ihr Ruf oft egal und ihre Tendenz, Konventionen und Abmachungen nicht einzuhalten, kann sehr frustrierend für ihr Umfeld sein. Paradoxerweise macht sie gerade ihr Drang, frei zu sein und sich allen Erwartungen zu widersetzen, unfrei: weil sie nicht das tun können, was von ihnen erwartet wird, müssen sie sich immer Alternativen suchen. Manchmal wählen sie auch etwas, von dem sie wissen, dass es schlecht für sie ist, nur um zu zeigen, dass sie die Wahl haben.

Tendenz für’s Leben

Das sind Gretchen Rubins Vier Tendenzen zum Umgang mit Erwartungen. Auch wenn viele Leute sich anfangs als Mischung verschiedener Tendenzen ansehen, lassen sie sich doch nach weiteren Fragen und etwas mehr Ehrlichkeit sich selbst gegenüber klar einer Tendenz zuordnen. Diese Tendenz verändert sich laut Gretchen Rubin im Laufe des Lebens nicht.

Auch wenn sich Personen einer Tendenz im Umgang mit Erwartungen ähneln, gibt es innerhalb der einzelnen Tendenzen immer noch große Persönlichkeitsunterschiede, je nachdem wie ehrgeizig, intellektuell, kontrollierend, charismatisch, offen oder ängstlich eine Person ist.

Außerdem neigen Menschen neben ihrer Haupttendenz häufig zu einer Nebentendenz, bleiben im Kern aber ihrer Haupttendenz treu. Man kann also Upholder mit Nebentendenz Obliger sein oder Haupttendenz Rebel mit Nebentendenz Questioner. 

Was ist meine Tendenz? Wie finde ich heraus, welcher Tendenz ich angehöre?

Wer nach der Kurzbeschreibung der Tendenzen noch nicht ganz sicher ist, was seine Tendenz ist, dem empfehle ich Gretchen Rubins Online-Test zu machen. 4 Ich habe den Test vor kurzem gemacht und er bestätigte mir, was ich schon vermutet hatte: Ich bin ein Obliger mit Nebentendenz Questioner. Den Test gibt es bisher allerdings nur auf englisch.

Warum es hilfreich ist, die eigene Tendenz zu kennen

Die glücklichsten, gesündesten und produktivsten Menschen sind laut Gretchen Rubin nicht die, die einer bestimmten Tendenz angehören, sondern eher die, die herausgefunden haben, wie sie die Stärken ihrer Tendenz am besten nutzen und den Schwächen entgegenwirken können. Es ist zwar nicht möglich, die eigene Tendenz zu ändern, aber je mehr man über sich selbst weiß, desto einfacher wird es, die äußeren Umstände so zu ändern, dass sie unterstützen statt zu behindern.

Die eigene Tendenz zu kennen, kann auch helfen, nachsichtiger mit sich selbst zu sein. Wenn man sich auf das fokussiert, was man ist und kann, fällt es leichter zu akzeptieren, was man nicht ist und nicht so gut kann.

Was sind die Anderen?

Was macht noch mehr Spaß als sich selbst besser kennen zu lernen? Richtig: Andere zu kategorisieren und einer Tendenz zu zuordnen. Besonders interessant ist es dabei natürlich, herauszufinden, welcher Tendenz der Partner oder die Partnerin angehört. Die Konstellation der Tendenzen in der Partnerschaft ist wohl eines der beliebtesten Themen, wann immer die Vier Tendenzen diskutiert werden. “ Mein Mann ist ein Rebell, wie bekomme ich ihn dazu, eine Verabredung einzuhalten?” “Meine Frau ist Questioner und stellt immer tausend Fragen, meine Fragen beantwortet sie aber nie.”

Warum es hilfreich ist, die Tendenz seiner Mitmenschen zu kennen

Mit den Vier Tendenzen im Hinterkopf werden die Eigenheiten des Partners oder der Partnerin plötzlich anders interpretiert. Die Haupterkenntnis, und das ist meiner Meinung nach eins der größten Verdienste dieses Modells, ist meist: das Verhalten meines Partners/meiner Partnerin hat nicht unbedingt etwas mit mir zu tun und zielt nicht darauf ab, mich zu ärgern, es ist einfach seine/ihre Art mit Erwartungen umzugehen. Ein Questioner stellt nicht dauernd Fragen, um herauszufordern oder Zweifel auszudrücken. Er hat einfach nur immer Fragen. Diese neue Betrachtungsweise schafft Toleranz und hilft neue Wege zu finden mit Problemen umzugehen, statt immer wieder die gleichen Dialoge abzuspulen.

Das Wissen über die Tendenz unserer Mitmenschen hilft auch dabei, sie zu überzeugen, zu motivieren oder Konflikte zu umgehen. Es hilft uns, effektiver zu kommunizieren und Botschaften so zu formulieren, dass sie auch ankommen.

Besonders in der Erziehung kann es helfen, die Tendenz des Kindes zu kennen und seine Erziehungsmethoden und Kommunikationsweise darauf abzustimmen. Vor allem Eltern von Rebellen-Kindern können hier profitieren und Anregungen erhalten für die nicht ganz einfache Aufgabe, ein Kind großzuziehen, das sowohl Erwartungen von außen als auch seine eigenen boykottiert. Konkrete Tipps zum Umgang mit Kindern der Rebellen-Tendenz, aber auch zu den anderen drei Tendenzen, gibt Gretchen Rubin in ihrem Buch.

Schließlich führt die Beschäftigung mit den Vier Tendenzen auch zu realistischeren Erwartungen darüber, inwiefern sich ein Mensch ändern kann oder nicht. Die Tendenz an sich ändert sich nicht mehr, höchstens wie man damit umgeht. Ein Rebell wird immer ein Rebell bleiben.

Mein Fazit zu den Vier Tendenzen

Ich muss zugeben, dass es etwas gedauert hat, bis ich mit dem Modell warm geworden bin. Als ich in Gretchen Rubins Podcast zum ersten Mal davon gehört habe, habe ich es für mich durchdacht, hatte ein paar Erkenntnisse und habe dann nicht mehr weiter drüber nachgedacht - bis das Buch rauskam und in meinem Freundeskreis und natürlich bei der Lesung diskutiert wurde. In diesen Gesprächen erfuhr ich von vielen, ganz unterschiedlichen Leuten, welchen Einfluss das Modell auf sie und ihre Beziehungen hatte. Was meine Begeisterung und Faszination für die Vier Tendenzen letztlich entfacht hat, war die Begeisterung, die in diesen Gesprächen zu spüren war. Dass ein Persönlichkeits-Modell so viel Begeisterung wecken kann, hatte ich seit dem Studium nicht mehr erlebt, als wir in den ersten Semestern die neu gelernten Modelle nach der Vorlesung an uns und unserem Leben ausprobiert haben.

Das Tolle an diesem Modell ist, dass es so verständlich und anschaulich ist, und man es direkt anwenden kann. Es hilft, sich selbst und seine Mitmenschen besser zu verstehen und ihnen und sich selbst mehr Toleranz entgegen zu bringen. Alles in allem finde ich das Modell schlüssig und kenne bisher kein Modell und keine Persönlichkeitsvariable, die genau das gleiche erklären.

Die größten Bedenken habe ich im Bezug auf Gretchen Rubins Annahme, dass die Tendenz angeboren ist und sich nicht im Laufe des Lebens verändert. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass der Umgang mit Erwartungen von Geburt an stabil bleibt und sich nicht mit den Erfahrungen und Lernprozessen, die man im Laufe des Lebens macht, verändert. Aber das ist eher ein kleiner Punkt, der nichts an der Erklärkraft des Modells ändert.

Insgesamt finde ich es wahnsinnig mutig von Gretchen Rubin, einer Schriftstellerin und studierten Anwältin, aber Nicht-Psychologin, ein Persönlichkeitsmodell vorzuschlagen. Ich bin gespannt, ob und wie es von der Fachwelt aufgenommen wird. 5

Wenn ich ein paar Fragen zu den Vier Tendenzen stellen dürfte, würde ich gerne mehr über die Verteilung der Tendenzen in der Bevölkerung wissen, vor allem wie sie über die Geschlechter verteilt sind und ob es da Unterschiede gibt. Laut Gretchen Rubin gibt es keine Geschlechtsunterschiede, aber ich habe noch keine Zahlen dazu gefunden. Außerdem wüsste ich gerne, ob es die Vier Tendenzen so in allen Kulturen gibt, und ob sie in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich verteilt sind.

Kleine Taschenlampe brenn!

Eine der größten Herausforderungen im Alltag ist, Menschen - inklusive sich selbst - dazu zu bringen, das zu tun, was man will. Gretchen Rubin gibt uns mit den Vier Tendenzen und in ihrem Buch Werkzeuge, die helfen diese Herausforderung zu meistern: Eine kleine Änderung in der Wortwahl oder im Vorgehen können dabei schon ausreichen, um das Verhalten einer Person zu verändern, sodass sie zum Beispiel Hausaufgaben macht und deshalb bessere Noten bekommt, ruhiger mit dem Partner oder der Partnerin spricht, und die Ehe deshalb hält, oder ihre Herzmedikamente nimmt und deshalb nicht stirbt.

Die Vier Tendenzen sollten nicht als Schubladen verstanden werden, in die wir uns selbst und unsere Mitmenschen stecken können und auch nicht als Etikettiermaschine, die uns mit Labels für uns und unser Umfeld versorgt, Gretchen Rubin sieht sie viel mehr eine Art Taschenlampe, die Licht in bisher verborgene Aspekte der Persönlichkeit bringt. Wer es beim Lesen dieses Beitrags bis hierher geschafft hat, sollte jetzt zumindest eine kleine dieser Taschenlampen besitzen. Also los, Anschalten und Licht ins Dunkel bringen!

Weitere Beiträge zu Gretchen Rubin:

Was sagen, wenn man nicht weiß, was man sagen soll?

Verweise

Bilder von https://gretchenrubin.com/gallery/the-four-tendencies-badges

[3] Die Zahlen basieren auf einer für die USA repräsentativen Umfrage mit 1564 Teilnehmern, die zwischen Juli und August 2016 durchgeführt wurde.
Siehe auch https://www.karger.com/Article/FullText/480347 (zwei Abschnitte unter der zweiten Abbildung)

[4] https://www.surveygizmo.com/s3/3706759/Gretchen-Rubin-s-Quiz-The-Four-Tendencies
Wirklich wissenschaftlich ist der Test übrigens nicht, er hat eher das Niveau eines Brigitte-Tests und entspricht nicht unbedingt den wissenschaftlichen Gütekriterien, aber das finde ich in diesem Fall nicht so schlimm, weil das ja auch nicht sein Ziel ist. Er soll dabei helfen, die eigene Tendenz zu finden, und das tut er. Außerdem kann man sich am Ende ja immer noch selbst entscheiden, inwiefern man dem Ergebnis vertraut und es für sich selbst übernimmt.

[5] Bisher gibt es einen Artikel, der sich damit auseinandersetzt, wie die Vier Tendenzen die Kooperation von Patienten erhöhen könnten, wenn sie von medizinischem Personal berücksichtigt werden würden.
Volltext unter https://www.karger.com/Article/FullText/480347