Bin ich jetzt eigentlich zur Lerche geworden? - Mein Fazit zum Lerchenexperiment

Nach unserem Aufenthalt in Deutschland sind wir zurück in Kalifornien und ich komme endlich wieder zum Bloggen. Im letzten Beitrag habe ich über die Ergebnisse des Lerchenexperiments berichtet und darüber, ob mich Selbstoptimierung glücklicher, zufriedener oder egoistischer macht. Mit dem Experiment wollte ich aber nicht nur untersuchen, was Selbstoptimierung mit mir macht, sondern auch tatsächlich mich und meinen Alltag optimieren, indem ich früher aufgestanden bin, um morgens mehr Zeit zu haben.

Dabei hatte ich drei Ziele:

  • ich wollte, dass mein Morgen entspannter, organisierter und weniger hektisch abläuft

  • ich wollte morgens pünktlicher sein

  • ich wollte wieder regelmäßig Laufen gehen

Die ersten beiden Ziele habe ich erreicht und die positive Veränderung hält auch nach Abschluss des Experiments an: Wir kommen morgens früher und meistens auch rechtzeitig aus dem Haus und es gibt wesentlich weniger hektisches Rumgerenne und Gefluche. Regelmäßig Laufen zu gehen, habe ich leider nicht geschafft, aber immerhin war ich ein paar Mal auf dem Laufband.

Zwei von drei Zielen erreicht, ist gar keine schlechte Bilanz. Es gab allerdings zwei Dinge, die mir wirklich schwer gefallen sind und die mich die ganze Zeit über genervt haben.

1. Das frühe Aufstehen

Ja, ich weiß, dass es genau darum im Experiment ging.

Ich tauge definitiv nicht zur Lerche! Ich hab es zwar geschafft, durchgehend früher aufzustehen, als ich müsste, aber wirklich daran gewöhnt habe ich mich nicht. Ich hatte ja gehofft, auch am Wochenende um 6:30 aufzustehen und durchgehend die gleiche Schlafens- und Aufstehzeit zu haben, würde helfen, tat es aber nicht. Für mich wäre es wesentlich leichter gewesen, wenn ich mir erlaubt hätte, am Wochenende länger zu schlafen.

2. Das frühe Schlafengehen

Abends hat mir mein Selbstoptimierungsversuch wirklich keinen Spaß gemacht. Meine geplante Schlafenszeit war 22:30, aber das habe ich so gut wie nie geschafft, weil ich um 22:30 Uhr oft noch nicht mit Haushaltskram und den Vorbereitungen für den nächsten Tag fertig war. Zeit für Entspannung und gemeinsame Zeit mit meinem Mann blieb dabei erst recht nicht. Zeitweise habe ich mich durch das Lerchenexperiment deshalb ziemlich eingesperrt gefühlt. Es gab eine Phase, in der ich wirklich keine Lust mehr hatte und mich sehr nach einem guten alten Netflix-Abend sehnte. Damit ich das Experiment nicht zu sehr hasse und meine Motivation wieder finde, habe ich dann die Lerchenphase für einen Tag ausgesetzt und bin aufgestanden, wann ich wollte. Das hat glücklicherweise geholfen. Eins weiß ich jetzt jedenfalls sicher: Ich bin keine Hardcore-Selbstoptimiererin, dazu ist mir meine Freiheit zu wichtig.

Alles hat seinen Preis

Meine Hoffnung war ja, dass ich durch das frühe Aufstehen mehr Zeit gewinne. Stattdessen hatte ich aber häufig das Gefühl, dass ich weniger Zeit habe als vorher. Die Zeit für Entspannung fiel weg und zudem konnte ich meine abendliche Arbeitszeit (nach dem Abendessen arbeite ich meistens noch, während mein Mann unseren Sohn ins Bett bringt) nicht mehr so gut nutzen wie vorher, weil ich oft einfach zu müde war, um mich zu konzentrieren.  In der Lerchenphase hatte ich es zwar geschafft, pünktlicher und morgens entspannter zu sein, aber der Preis dafür kam mir recht hoch vor.

Selbsterkenntnis durch Zahlen

Genug gejammert! Glücklicherweise habe ich bei meinem Selbstoptimierungsversuch auch noch ein paar hilfreiche Dinge über mich gelernt und in diesen Erkenntnissen liegt für mich der größte Nutzen des Experiments. Mein Verhalten in einem Bereich zu beobachten und zu dokumentieren, mit dem ich unzufrieden war, war sehr aufschlussreich. Die Daten gaben mir einen Einblick in mein Verhalten und meine tägliche Stimmung, den ich so noch nicht gehabt hatte. Die Aufzeichnungen zeigten mir, ob die Realität, wirklich so war, wie ich sie mir zurecht gedacht hatte, oder ob die bewussten und unbewussten Annahmen, die mein Verhalten bisher leiteten, vielleicht gar nicht zutrafen. So musste ich beispielsweise einsehen, dass die Annahme: “Wenn ich so früh aufstehe, bin ich den ganzen Tag zu nichts zu gebrauchen”, die ich so gern als Rechtfertigung benutzt habe, um länger zu schlafen, nur eine Ausrede war.  In den Daten konnte ich sehen, dass es stattdessen viel mehr ausmacht, wann ich ins Bett gehe. Wenn ich eine bestimmte Zeit überschreite, bin ich am nächsten Tag wirklich müde und nicht so leistungsfähig.

Was bleibt vom Experiment?

Dank dieser Erkenntnis und den Erfahrungen aus der Lerchenphase weiß ich, wie ich auf Dauer morgens früher rauskomme und meinen Morgen unter Kontrolle bekomme, und was fast noch wichtiger ist: Ich handle auch danach und die Veränderung hält an. Nach ein paar Anpassungen ist auch das Preis-Leistungs-Verhältnis des frühen Aufstehens besser geworden: bis 7 Uhr schlafen statt 6:30 Uhr und keine festen Weckzeiten für’s Wochenende, dann wird meine abendliche Arbeitszeit nicht beeinträchtigt und es bleibt auch noch Zeit für Erholung. Ich kann zwar nicht behaupten, dass mir das Lerchenexperiment Spaß gemacht hat, gelohnt hat es sich aber allemal.

Foto von mahdis mousavi auf Unsplash